Nachdem wir im ersten Teil des Interviews mit dem Sicherheitschef Markus Pruckner den Aufbau und die Logistik des Opernballs thematisiert haben, wenden wir uns im zweiten Teil der Sicherheit und dem Ablauf am Balltag zu.
EVENTFEX: Nach zwei langen Umbautagen ist es am Donnerstag endlich soweit, der Opernball steht kurz bevor. Ihnen steht allerdings ein langer Tag und eine noch längere Nacht bevor. Wie beginnt für den Sicherheitschef der Tag des Balls?
Markus Pruckner: Mein Tag beginnt um ca. 8 Uhr mit der Kollaudierungssitzung mit der Behörde, diese dauert den ganzen Vormittag. Beteiligt sind u.a. das Arbeitsinspektorat, die Veranstaltungsbehörde, der TÜV und viele Sachverständige. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurden die Geräte wie z.B. Kühlschränke vor Ort geprüft (Erdung, Kesseldruck, etc.). Diese Befunde werden jetzt vorgelegt, alleine die Kaffeemaschinen füllen einen ganzen Ordner für die Abnahme.
Es werden alle Räumlichkeiten und Gänge abgegangen. Diverse Kleinigkeiten werden gleich parallel zur Begehung behoben, viel Zeit ist ja danach nicht mehr. Beendet ist die Kollaudierung ca. zu Mittag und es wird der Bescheid ausgestellt. Am Nachmittag beheben wir die von der Behörde noch bemängelten Details und ich führe eine sicherheitstechnische Einweisung mit dem Personal der 9 Gastronomen und dem Publikumsdienst (140 Personen) durch.
Im Vergleich zu einer normalen Vorstellung sind beim Opernball deutlich mehr Gäste in der Oper. Was bedeutet das für die Sicherheit und das Sicherheitsmanagement?
Pruckner: Über 5.000 Gäste besuchen den Opernball, dazu kommen noch rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsoper und das Personal der Partnerfirmen. Insgesamt sind also mehr als 7.000 Personen in der Oper. Deshalb ist für den Opernball ein eigenes Sicherheitskonzept notwendig, das in den letzten Jahren aufgrund der internationalen Gefährdungslage natürlich etwas angepasst wurde.
Was den Brandschutz betrifft haben wir das Glück, dass das Gebäude in viele kleine Brandabschnitte unterteilt ist, dadurch sind wir auch brandtechnisch sehr gut abgesichert. Natürlich trägt auch die eigene, 20 Mann starke Betriebsfeuerwehr, die das Haus in und auswendig kennt, entscheidend zur Sicherheit bei. Ein interessantes Detail: In einigen Bereichen der Oper können die Fluchtwegspfeile (LED) elektronisch gesteuert die Richtung wechseln, da der Fluchtweg beim Opernball teilweise anders verläuft als bei normalen Vorstellungen.
Wir sind insgesamt also absolut sicher aufgestellt, sowohl baulich, aber auch technisch und organisatorisch ist die Wiener Staatsoper eines der sichersten Häuser, die man bespielen kann.
Sie haben schon die Betriebsfeuerwehr angesprochen, aber zur Sicherheit tragen wahrscheinlich viele weitere Personengruppen bei. Wie viele sind es insgesamt?
Pruckner: Insgesamt sind am Opernball rund 500 Personen für die Sicherheit zuständig oder helfen im Notfall bei einer Evakuierung. Diese Personen teilen sich in folgende Gruppen:
- 20 Feuerwehrmänner der Betriebsfeuerwehr (10 patrouillieren ständig im Haus, 10 in Bereitschaft, stündlicher Wechsel)
- Kordelsteher (am Red Carpet, auf der Feststiege, bei der Eröffnung im Ballsaal)
- Stockwerksbeauftragte (im Alarmfall Schlüsselposition bei der Evakuierung)
- Mitarbeiter der G4S, die im Publikumsdienst, Schleusendienst und am Red Carpet tätig sind. Der Großteil davon kennt das Haus auch von Diensten bei normalem Spielbetrieb, was im Ernstfall natürlich von entscheidender Bedeutung für uns ist!
- Beamte der Polizei
- 3 Ärzte und 3 Notfallsanitäter (im Notfall immer begleitet durch einen Mann der Betriebsfeuerwehr um in der Menschenmasse und durch die Ortskenntnis ein schnelles Vorankommen des medizinischen Personales zu garantieren.
Eine kleine Anekdote: Die Feuerwehr ist in Uniform um erkennbar zu sein, aber selbst der Haustechniker führt – wenn notwendig – kleine Reparaturen während des Balls im Frack durch.
Wie kommuniziert man als Sicherheitschef während der Veranstaltung mit dem gesamten Team?
Pruckner: Wir kommunizieren über Funk über zwei Kanäle, ein normaler Kanal und ein eigener Sicherheitskanal (Feuerwehr, Polizei, technische Direktion). Es sind rund 160 Personen am Funk, deshalb ist eine hohe Funkdisziplin gefordert. Es gibt am Donnerstag Nachmittag eine gemeinsame Funkeinschulung, und detaillierte Unterlagen für alle schon im Vorfeld. Jede Person mit Funk ist im Vorfeld registriert und mit Name, Funkgerätenummer, Position im Haus und mit exakter Aufgabe dokumentiert
Zwei Relaisstationen im Haus sorgen für die nötige Netzqualität in jedem Bereich des Hauses. Sie sind redundant ausgelegt und bei Stromausfall werden die Relais durch Akkus betrieben. Wenn beide Relaisstationen ausfallen sollten, kann man am Sicherheitskanal noch immer peer to peer funken.
Aus dem Fernsehen ist vielen das Gedränge auf der Feststiege in Erinnerung. Wie behält man denn da den Überblick über die Gesamtsituation?
Pruckner: Der Andrang hat sich in den letzten Jahren entschärft seit Desirée Treichl-Stürgkh den Red Carpet vor dem Opernhaus eingeführt hat und die Direktion die Fotografen- und TV-Akkreditierungen neu organisiert hat. Den – zahlenmäßig deutlich reduzierten – Fotografen und Kamerateams wurden fixe Plätze in „Boxen“ am Red Carpet zugeteilt, auf der Feststiege sind keine Kameras mehr zugelassen. Das hat zur Folge, dass alles „im Fluss“ bleibt und es kein Gedränge mehr gibt wie früher.
Der Red Carpet am Ring und der gesamte Eingangsbereich sind ein imposanter Anblick. Können Sie uns ein wenig zu Aufwand und Technik dahinter erzählen?
Pruckner: Die Konstruktion rund um bzw. über dem Red Carpet ist sehenswert und durch die große Spannweite auch sehr aufwändig. Sie trägt Scheinwerfer und Heizstrahler, damit die Gäste auch bei kalten Temperaturen nicht frieren und muss auch Schneelast oder Sturm standhalten. Gestützt wird die Konstruktion durch 21-Fuß-Containern, die durch Balasttanks gefüllt mit tausenden Litern Wasser beschwert werden. Anfangs wurde einmal auf den Frostschutz vergessen, der Abbau gestaltete sich dann etwas schwierig, aber wir haben auch daraus gelernt.
Am Red Carpet haben die Ballgäste noch ihre Mäntel, wo können sie diese abgeben, im Opernhaus?
Pruckner: Um einen Stau vor den Garderoben im inneren der Oper zu vermeiden, wurden diese in zwei beheizte Zelte ausgelagert. Natürlich müssen diese bei extremen Wetterbedingungen auch Wind und Wetter standhalten. Deshalb werden diese extra verstärkt und halten Windgeschwindigkeiten bis zu 100 km/h stand, natürlich auch von einem Statiker geprüft (inkl. Statikbefund).
Das heißt erst nach der Garderobe geht es in die Oper. Wie funktioniert die Kontrolle der Eintrittskarten am Eingang?
Pruckner: Die Einlasskontrolle wird klassisch über eine Eintrittskarte mit Abriss durchgeführt. Wenn man noch einmal ins Freie muss, dann wird eine Retourkarte ausgegeben. Die Eintrittskarten sind namentlich registriert, auch der Abriss alleine reicht um nachzuvollziehen wem die Karte gehört. Auch das Personal der Fremdfirmen ist aus Sicherheitsgründen namentlich registriert. Das stellt natürlich eine zusätzliche Herausforderung für die externen Firmen da Mitarbeiter kurzfristig nicht ausgetauscht oder hinzugenommen werden können.
Das Ballkomitee hat einen Stempelpass. Nur wenn die Damen und Herren bei allen Proben anwesend waren und der Pass somit alle Stempel enthält, sind sie für den Ball zugelassen. Zur Eintrittskarte gibt es diverse Zusatzkarten, Sonderausweise und Passierscheine für diverse Bereiche im öffentlichen Bereich und Backstage.
Der ORF überträgt den Opernball live in ORF 2. Sorgt das für zusätzlichen Nervenkitzel im Organisationsteam?
Pruckner: Nein, eigentlich nicht, die Zusammenarbeit mit dem ORF funktioniert sehr gut, auch hier arbeiten alle Beteiligten seit Jahren zusammen und wissen was zu tun ist. Das Opernhaus ist schon für den Normalbetrieb technisch sehr gut ausgestattet, daher sind beim Opernball keine großen Kunststücke notwendig. Datenleitungen und Stromversorgung im und um das ganze Haus sind sehr gut verfügbar.
Am Tag nach dem Opernball geht es in der Oper mit zwei Kindervorstellungen der Zauberflöte für insgesamt 7.000 Kinder weiter. Wie ist das so schnell möglich?
Pruckner: Ganz einfach, um Punkt 5 Uhr, wenn der Ballsaal nach dem letzten Takt taghell erleuchtet wird und die Ballbesucher die Oper verlassen, stehen die Arbeiter bereit und starten mit dem Umbau für die Kinderzauberflöte. Der Umbau ist Freitag gegen 10 Uhr fertig und um 12 Uhr findet der Rundgang mit der Behörde statt. Parallel dazu holen viele Firmen ihre Gastro-Einrichtung und -Ausrüstung. Am Nachmittag kommen die ersten Kinder für die Vorstellung um 14:30 Uhr, die zweite findet um 17:00 Uhr statt.
Für die Kinderzauberflöte ist aber noch nicht die gesamte Opernball-Kulisse abgebaut, oder?
Pruckner: Nein, der Parkettboden und die Logen stehen zu diesem Zeitpunkt noch. Die Kinder sitzen auf dem Parkettboden und die Vorstellung findet in deren Mitte statt – alles sehr kindgerecht. Der eigentliche Abbau findet erst am Samstag ab 5 Uhr statt, um 13 Uhr ist vom Opernball nichts mehr zu sehen. Es wird wieder für die Abendvorstellung um 19 Uhr aufgebaut. Nach einer Woche geht in der Wiener Staatsoper alles wieder seinen geregelten Lauf.