Die Sicherheit bei Veranstaltungen rückte in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus von Veranstaltern, Behörden und Besuchern. Das zentrale Dokument im Zuge der Sicherheitsplanung ist das mit den Behörden und Einsatzkräften abgestimmte Sicherheitskonzept. Dieser Beitrag behandelt daher die (Hinter)Gründe für die Erstellung eines Sicherheitskonzeptes sowie die zu berücksichtigenden Inhalte und Methoden.
Das Sicherheitskonzept von Veranstaltungen wird im Regelfall nach Aufforderung durch die Behörde vom Veranstalter erstellt bzw. in Auftrag gegeben. Aber auch ohne Auftrag von Seiten der Behörde macht die Erstellung eines Sicherheitskonzeptes rein aus haftungstechnischen Überlegungen Sinn.
Kommt es im Rahmen einer Veranstaltung zu einem Schaden so sind im Wesentlichen zwei Fragen zu klären:
- Hätte es geeignete Maßnahmen gegeben, um den Schaden zu verhindern?
- Wäre eine solche Maßnahme dem Veranstalter zumutbar gewesen?
Sind beide Fragen mit einem „ja“ zu beantworten – was ohne bzw. mit einem schlechten Sicherheitskonzept leicht der Fall sein kann – ergeben sich haftungsbegründete Folgen für den Veranstalter.
Was nun als zumutbar gilt und was nicht ist von der jeweiligen Veranstaltung abhängig und pro Gefahr individuell zu betrachten. Aus diesem Grunde nimmt die Risikobeurteilung im Zuge der Sicherheitskonzeption einen zentralen Stellenwert ein und sollte von Personen mit
- methodischen Kenntnissen (welche Art der Risikoidentifikation ist anzuwenden?),
- statistischen Kenntnissen (wie können Eintrittswahrscheinlichkeiten berechnet werden?)
- einer adäquaten Ausbildung und
- entsprechender Erfahrung
durchgeführt werden.
Eine richtig durchgeführte Risikobeurteilung hilft darüber hinaus, die im Regelfall begrenzten monetären Ressourcen auf tatsächliche Risiken auszurichten und nicht auf subjektiv übertriebene Gefahren.
Stichwort Terrorismus: Wussten Sie, dass in Österreich und Deutschland in den letzten 20 Jahren mehr Personen bei Veranstaltungen durch fehlgeleitete Personenströme ums Leben gekommen sind als insgesamt durch islamistisch-terroristische Anschläge? Dennoch werden aktuell große finanzielle und zeitliche Ressourcen in die „Terrorabwehr“ und nicht in ein adäquates Flächendesign, Durchflussanalysen, etc. (kurzum: Crowd Management) investiert. Der diesbezügliche Terminus nennt sich „neglect of probability“, nämlich die Vernachlässigung der Wahrscheinlichkeit, welche in ihrer Konsequenz zu Entscheidungsfehlern führt (z.B. bedeutet mehr Security-Personal nicht automatisch mehr Sicherheit).
Die Inhalte eines Sicherheitskonzeptes sind gesetzlich nicht vorgegeben, die folgenden (nicht taxativen) Elemente sind jedoch als Wesentlich zu betrachten und sollten dargestellt werden:
- Beschreibung der Veranstaltung (inkl. Aufbauten, Infrastruktur, Verkehr, TeilnehmerInnenprofil, etc.)
- Benennung der Schutzziele (was soll geschützt werden?)
- Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung für Risiken, die mit der Veranstaltung zusammenhängen und daraus ableitend die
- Bewältigungsmaßnahmen (z.B. Maßnahmen zur Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder zur Reduzierung des Schadenausmaßes)
- Darstellung der Aufbauorganisation inkl. Entscheidungsbefugnisse und ein Kommunikationskonzept (intern/extern) für Normal- und Notfälle (bei größeren Veranstaltungen auch hinsichtlich einer interorganisationalen Zusammenarbeit mit Behörde und Einsatzorganisationen)
Beschreibung der Veranstaltung
Neben Standardbeschreibungen wie z.B. Titel, Datum, VeranstalterIn, Aufbau, Abbau, Ort, etc. werden in diesem Abschnitt auch Angaben zur inhaltlichen Idee, dem zeitlichem Ablauf, das zu erwartende TeilnehmerInnenprofil (erwartete BesucherInnenzahlen, maximal zulässige BesucherInnenzahl, demographische Merkmale, Alkoholkonsum und andere Berauschungsmittel, erwartete Reisemittel, mögliche Besucherrivalitäten, etc.), Infrastruktur (Bühne, Technik, Backstage, Verkaufsstände, Aufbauten, Flächen für Einsatzorganisationen, etc.), Absperrungen, Strom- und Notstromversorgung, Zu- und Abfahrtswege für Einsatzorganisationen, Flucht- und Rettungswege für BesucherInnen und MitarbeiterInnen, etc. erörtert.
Benennung der Schutzziele
Bei der Benennung der Schutzziele wird definiert was (Mensch, Prozesse, Umwelt, Reputation, etc.) geschützt werden soll. Im Zuge von Veranstaltungen ist die körperliche Unversehrtheit von Personen zwingend notwendig, was oft zu dem Standardschutzziel „Körperliche Unversehrtheit von VeranstaltungsbesucherInnen“ führt. Nachdem hier keine 100-prozentige Unversehrtheit garantiert werden kann, muss im nächsten Schritt das Schutzziel quantifiziert werden („wie viele verletzte oder erkrankte Personen können in welchem Ausmaß toleriert werden?“). Darüber hinaus kann auch festgelegt werden, dass bestimmte Handlungen, Verletzungen oder Erkrankungen überhaupt nicht toleriert werden (z.B. Alkoholkonsum bei Kinderveranstaltung). Neben obig genanntem Schutzziel sind auch noch weitere Schutzziele denkbar und zielführend (z.B. Vermeidung hoher Personendichten, Vermeidung von Kompetenzüberschneidungen und -vakuen, etc.).
Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung
Wie bereits weiter oben beschrieben ist die Risikobeurteilung (bestehend aus Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung) das Herzstück eines jeden guten Sicherheitskonzeptes.
Die Risiken, die mit einer Veranstaltung einhergehen sind mannigfaltig. So gilt es beispielsweise strukturelle, technische und organisatorische Gefahrenquellen zu (er)kennen aber auch jene Risiken, die aus dem Zuseherverhalten selbst resultieren, zu berücksichtigen. Achtung: Wenn ein bestimmtes (unerlaubtes) Verhalten von BesucherInnen zu erwarten ist, so sollten vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden, da andernfalls eine Haftung für den Veranstalter eintreten könnte. Um die Sicherheit der BesucherInnen und mitwirkender Personen bestmöglichst zu gewährleisten, ist eine möglichst holistische Risikoidentifikation, basierend auf den definierten Schutzzielen, durchzuführen. Nur identifizierte Risiken können im Weiteren analysiert, bewertet und mit einer entsprechenden Bewältigungsstrategie versehen werden.
Die Risikoidentifikation dient dem Ziel, Risiken zu finden, zu erkennen und zu beschreiben. Hierbei dürfen dynamische Risiken, die aus Personenströmen während der drei Veranstaltungsphasen (Einlass, Zirkulation, Abstrom) bzw. fünf Veranstaltungsphasen (Anreise, Einlass, Zirkulation, Abstrom, Abreise) resultieren nicht außer Acht gelassen werden. Zur generellen Risikoidentifikation werden Kollektionsverfahren sowie weitere Verfahren (z.B. Szenarioanalyse, Stresstest) herangezogen.
Jede identifizierte Gefahr wird im Zuge der Analyse mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit und einem Schadenausmaß bewertet. Die Quantifizierung dieser beiden Werte erfolgt in der Praxis durch empirische Daten und Erfahrungswerte.
Hierbei ergibt sich die Problematik, dass nicht für alle Gefahren belastbares Zahlenmaterial vorliegt. Während für wettertechnische Risiken statistische Daten (z.B. Blitzdichte, Windgeschwindigkeiten) herangezogen werden können, stellt sich die Situation für spezifische Veranstaltungsrisiken anders dar. So ergibt sich z.B. die Schwierigkeit, das Risiko „hoher Druck vor der Bühne“ mit einer entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeit zu bewerten.
Es ist daher erforderlich auf professionelle PlanerInnen zurückzugreifen, die eine permanente Beobachtung der Risiken in einem ähnlichen Veranstaltungsumfeld (z.B. Künstlerprofil, Besucherprofil, Planung von Barrikaden) vornehmen, vergangene Eventtragödien analysieren (um aus den Fehlern zu lernen) und eine entsprechende Bewertung (inkl. benötigter Maßnahmen) durchführen können.
Das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenausmaß ergibt die Risikohöhe. Im Weiteren wird die Risikohöhe den vorab definierten Toleranzgrenzen gegenübergestellt. In der Praxis erfolgt dies über die Darstellung an Hand einer Risikomatrix (untenstehend ein Beispiel einer dreistufigen Risikomatrix).
Sofern sich ein Risiko im roten Bereich (inakzeptables Risiko) befindet, muss dieses zwingend reduziert werden (gelber Bereich). Ist dies nicht möglich, gilt als einzig mögliche Bewältigungsstrategie, diese Aktivität nicht durchzuführen. Risiken im gelben Bereich (akzeptables Risiko mit Abwehrmaßnahmen) bedürfen einer Maßnahmenentwicklung, -implementierung und -überwachung. Risiken im grünen Bereich (akzeptables Risiko) können von der Veranstalterin bzw. dem Veranstalter akzeptiert werden.
Bewältigungsmaßnahmen
Um Risiken zu bewältigen werden Maßnahmen entwickelt um die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder das Schadenausmaß zu reduzieren.
Handelt es sich um präventive Maßnahmen zur Reduktion der Eintrittswahrscheinlichkeit (= Ursachenbezogene Maßnahmen), so findet diese Einzug in das Sicherheitskonzept. Risiken, die akzeptiert werden und deren Eintrittswahrscheinlichkeit nicht bzw. nicht ausreichend reduziert werden können (d.h. es kann „nur“ mehr das Schadenausmaß reduziert werden wie z.B. bei Unwetter bei Outdoorveranstaltungen = Wirkungsbezogene Maßnahmen) werden einer Szenarioanalyse unterzogen. Diese Methode zeigt Anfälligkeiten auf und ermöglicht die strukturierte Abarbeitung eines potentiellen Notfalles. Die gebündelten Maßnahmen finden sich in den Notfall- oder Krisenplänen wieder, welche das Ziel haben, bei Schadenereignissen schnell und richtig zu reagieren.
Darstellung der Aufbauorganisation inkl. Entscheidungsbefugnisse
Für Veranstaltungen werden die einzelnen Organisationen mit jeweiligen Aufgabenbeschreibungen und Verantwortlichkeiten versehen. Dies wird sowohl für den Normal-, als auch den Notfall (siehe Szenarioanalyse) dargelegt.
Im Notfall ist Zeit eine kritische Dimension. Im Anlassfall kann (bzw. darf) nicht mehr über Vorgehensweisen bzw. Zuständigkeiten nachgedacht oder gar diskutiert werden. Es ist daher bereits im Vorfeld das Entgegenwirken von potentiellen Gefährdungen zu planen und zu verschriftlichen. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Alarmierung sowie das strukturierte und prozessorientierte Arbeiten des Notfall- bzw. Krisenmanagements inklusive benötigter Entscheidungsbefugnisse.
Zusammenfassung Sicherheitskonzept
Das Sicherheitskonzept hilft, die Sicherheit von BesucherInnen und MitarbeiterInnen zu erhöhen. Ebenso kann dieses, bei sorgfältiger Planung und Dokumentation, Haftungen von VeranstalterInnen reduzieren. Für die Erstellung von Sicherheitskonzepten bedarf es eines fundierten Wissens hinsichtlich Risikomanagement, Crowd Management und Notfallplanung sowie psychologischen Grundlagenwissens (wie verhalten sich Menschen im Notfall? Kleiner Hinweis: nicht panisch!) weshalb auf fachkundiges Personal zu achten ist und ausreichend Vorlaufzeit eingeplant werden sollte.
Über den Autor
Martin Bardy MA, BEd, BA, MBA ist selbständiger Unternehmensberater für Veranstaltungssicherheit (siflux) und erstellt im Auftrag von Agenturen, VeranstalterInnen, SicherheitsdienstleiterInnen, Venue-Betreibern, etc. Sicherheitskonzepte, Notfallpläne und Personenstromsimulationen. Er absolvierte das Studium „Crowd Safety Management“ an der Buckinghamshire University (UK) mit der höchsten Auszeichnung „first class honours“ als Jahrgangsbester. Seit 2014 lehrt er an verschiedenen Universitäten, Fachhochschulen und privaten Institutionen zu den Themen Veranstaltungssicherheit / Crowd Management. Darüber hinaus entwickelte und leitet er den universitären Lehrgang „Crowd Safety Management, CP“ an der Donau-Universität Krems.
Vielen Dank für einen informativen Beitrag zur Erstellung eines Sicherheitskonzeptes. Ich bin einverstanden, dass sorgfältige Planung und Dokumentation helfen, die Sicherheit von Besucher und Mitarbeiter zu erhöhen. Ich beschäftige mich gerade mit der Organisation eines Events und werde diese Tipps gerne beachten.