Warum die meisten Digitalisierungsprojekte im MICE Bereich nicht funktionieren!

Warum die meisten Digitalisierungsprojekte im MICE Bereich nicht funktionieren!

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Der Expertenkreis Technology der HSMA Deutschland e.V. hat kürzlich einen Leitfaden für die Digitalisierung in der Hotellerie erarbeitet. Daran ist nichts auszusetzen. Im Gegenteil.

Allerdings machen viele Hotels bei ihren Bestrebungen um Digitalisierung die Rechnung ohne den Joker. Und dieser Joker ist – der Mensch! Das Problem beheben kann ich letztlich mit keiner Prozessbeschreibung und keinem Leitfaden – das kann ich nur mit Menschen machen!!

Ich habe soeben auf LinkedIn einen Kommentar zu einem Beitrag von Dirk Merzenich gelesen, der verdeutlicht, wo der Hase im Pfeffer liegt:

„Dazu eine aktuelle Erfahrung: Ich habe einen Tagungsraum in einem namhaften Businesshotel in Würzburg angefragt, telefonisch. Das Warteschleifendrama erspare ich hier. Ich wurde schlussendlich darum gebeten, eine Mail zu schreiben. Nach nun DREI WOCHEN habe ich heute das Angebot erhalten. Jetzt ist es natürlich zu spät … „

Hätte mehr Digitalisierung das Problem gelöst? Die Frage bleibt zunächst offen. Aber mehr und besseres Personal hätte diesen Faux-Pas sicherlich vermieden. 

Kommen wir zurück zum HSMA-Projekt: In der Tagungshotelwelt kann das beste Digitalisierungsvorhaben scheitern, weil Personal fehlt, überfordert oder noch unerfahren ist.

Das macht es kompliziert, komplexe Digitalisierungsprojekte zügig auszurollen. Erschwerend hinzu kommt die starke Fluktuation in den Hotels: Wer sich da gerade in den Prozess eingearbeitet hat, der/die ist morgen schon wieder woanders. Wenn bei Silowissen der Kompetenzträger plötzlich weg ist, dann bleiben alle Räder stehen.

Oft wird mehr versprochen, als gehalten werden kann

Ein weiteres Hindernis ist die Komplexität der Systeme, die seit Jahren und Jahrzehnten etabliert sind und immer noch berücksichtigt werden müssen.

Alles Neue ist daher wieder ein Andocken und macht die Systematik noch komplexer.

Das Ziel der Digitalisierung muss es aber sein, die Komplexität zu reduzieren. Das Gegenteil passiert oft. Bei dem Thema- Live-Buchbarkeit entstehen beispielsweise begründete Bedenken, dass man im operativen Bereich sagt: Der Prozess ist noch komplizierter, jetzt muss ich noch mehr Daten anfassen, hier noch übertragen und noch ein Backend pflegen usw. Immer wird gerne vergessen, worum es eigentlich geht: nämlich den

Kunden zu zentrieren und nicht nur die eigenen Prozesse in den Vordergrund zu stellen.

Gerade wenn es darum geht, Verfügbarkeiten und Preise zugänglich zu machen, vergisst man schnell, dass das gemacht werden muss, um den Gast „in den Griff zu bekommen“.

Der Verband der Veranstaltungsorganisatoren e.V. hat bereits 2019 eine komplexe Umfrage zum Thema Verfügbarkeit und Preise durchgeführt. Mit dem Ergebnis: 85% der Planer empfinden es als Nachteil, wenn sie nicht bereits im Rechercheprozess Verfügbarkeiten und Preise einsehen können.

Ja, ich weiß: das steht alles auf der Agenda. Aber alle sind derzeit überfordert, sich mit neuen Systemen auseinander zu setzen, die im Übrigen oft mehr versprechen, als sie halten können. Selbst namhafte Häuser haben einen Personalstand von 40 % im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Wer soll da noch extrem komplexe Digitalisierungsvorhaben erfolgreich implementieren, wenn es um mehr geht als einen weiteren müden Zwischenschritt, von denen wir bereits viel zu viele viel zu früh gefeiert haben?

Der personelle Flaschenhals und die Komplexität

Wohl dem Hotel oder der Hotelgruppe, die Teams haben mit hoher intrinsischer Motivation. Dort kann es klappen. Die Praxis zeigt aber leider, dass die 

Mehrheit der Unternehmen nicht so gestafft ist, das professionell auszurollen. Deshalb scheitern viele Digitalisierungsprojekte. Obwohl das Know-how verfügbar wäre. Das Knowhow an sich ist nicht das Problem. 

Und Häuser, die sich Know-how-Vorsprünge erarbeitet hatten, erleiden häufig klassische Pionier-Schicksale. Das sind dann beispielsweise Hotels, die einmal Vorreiter der Digitalisierung im Einzelbuchungsprozess waren und nach hinten hinaus dann doch oft die rote Laterne trugen. Weil die Mitbewerber vom Vorreiter gelernt hatten und es dann selber, wenn auch später, noch besser gemacht haben.

Fakt ist: In der Hotellerie hat sich eine Komplexität der Systemlandschaften aufgebaut, die nicht mehr handhabbar ist. Weil man dafür viele Leute mit Wissen und Erfahrung braucht. 

Noch einmal: Nicht das mangelnde Wissen um die Dinge ist das Problem, sondern der personelle Flaschenhals in der Komplexität. Und daher ist es immer noch so, dass die Hotellerie eine der wenigen Branchen ist, die es nicht geschafft hat, den Kaufprozess im Meeting- und Eventbereich zu digitalisieren.

Das liegt auch daran, dass viele Software-Anbieter und Portal-Betreiber die Komplexität der Hotelsysteme nicht richtig in den Griff bekommen, manchmal nicht einmal verstehen.  Sie addieren nur neue Komplexität.

Digitalisierung heißt nämlich auch, bestehende Systeme zunächst effizienzsteigernd zu gestalten. Dazu gehört aber übergreifendes Querschnittswissen im Sinne einer permanenten Praxiserfahrung, damit Wissenstransfer überhaupt erst funktionieren kann. 

Man sieht bei den PMS-Systemen in der Hotellerie, dass die Anforderungen immer größer werden und der Support auf viele Schultern verteilt werden muss. Die nicht mehr da sind.

Temporär auslagern, aber wie?

Wenn man neue Dinge angeht, dann braucht man Anbieter, auch und vor allem in der Exekutive, die diese Komplexität tiefgreifend erstehen.

Wer kann helfen? Die Anzahl der Anbieter ist extrem überschaubar. Da gibt es ein paar fertige Tools und einige Individualentwicklungen. Man schöpft eben nicht aus dem Vollen wie in anderen Branchen.

Wo kann die Lösung liegen?

Mein Learning der letzten 15 Jahre: Nicht über die Software löst man das Problem, sondern über das Team oder Mitarbeiter. Die Exekutive der Software ist das kleinste Problem.

Es ist viel wichtiger das richtige Team zu formen und die richtigen Mitarbeiter an den richtigen Schlüssel-Stellen zu haben – auch nachhaltig -, bevor man recherchiert: Wer ist der richtige Tool-Anbieter und die richtige Entwicklungsfirma?

Niemand käme auf die Idee, in einen hochgerüsteten Formel I Boliden einen 80jährigen Fahrer zu setzen, der im Jahr durchschnittlich 10.000 km fährt.

Schauen wir uns aber auch einmal die Corporate Seite an, denn auch die entwickelt ja ihre Tools weiter. Und ist nicht vor den gleichen Fehlern gefeit.

Ich habe 2015 einmal bei DHL an einer Ausschreibung teilgenommen. Die Anforderung an eine Software-Lösung war, digitale Einkaufsprozesse abzubilden für die gesamte MICE-Kette.

Seinerzeit habe ich den Entscheidern gesagt: „Was Sie wollen, das ist nicht abbildbar mit allen DigitalisierungLeistungsträgern in der MICE-Kette. Das können wir eigentlich nicht, aber das kann auch kein anderer.“ Daraufhin musste ich hören: „Doch, wir haben einen Anbieter, der das kann!“ Mein Schlusssatz, an den ich mich noch sehr gut erinnere: „Der sagt Ihnen vielleicht, dass er das kann, aber der kann das nicht!“

Die Kunst des Machbaren ist eine hohe Kunst

Heute, acht Jahre später, kann man feststellen, dass dieser Prozess, der in der Ausschreibung gefordert war, durch kein System abbildbar war und ist. Was will ich damit sagen? Ganz einfach: Häufig sind Erwartungshaltungen, Wünsche des Managements und die Realität ganz weit auseinander. Es ist wie in der Politik: Wir müssen uns ehrlich machen.

Wir müssen die Kunst des Machbaren pflegen, Anspruch und Wirklichkeit einigermaßen deckungsgleich gestalten. Das kann man als Berater nur, wenn man beide Seiten des Marktes kennt.

Die Erfahrung lehrt mich, dass die Corporates auf der Einkäuferseite die Komplexität auf der anderen Seite nicht im Entferntesten verstehen. Und natürlich: vice versa!

Und noch eine weitere Gefahr sehe ich für die Tagungshotellerie: 

Im Corona-Jahr 2021 haben wir bei Meeting Deals über 1800 Corporate-Anfragen eingebucht. Ein Großteil dieser Veranstaltungen ist leider nicht in die Hotellerie gegangen. Es war wieder kein Personal und keine vernünftigen Prozesse da. Aber in Alternativ-Locations, da hatte man beides! Da gab es weniger Komplexität und im Bereich der Raumvermietung kundenzentriertere Denk- und Arbeitsweisen. 

Warum erzählt Ihnen der MICE GUY das alles? Weil er beide Seiten kennt, seit 15 Jahren im Markt ist und Schnittstellenkompetenz aufgebaut hat. Und weil er vor allem Zugriff auf die richtige Exekutive der Softwareentwickler hat.

Eine Empfehlung zum Schluss: Wenn man hausintern nicht zügig weiterkommt, sollte man gewisse operative Prozesse, insbesondere im Management von Tagungsanfragen konsequent auslagern. Der Steuerberater muss schließlich auch nicht im Hotel wohnen. Wenn die Auswahl dann auf den richtigen, personell gut aufgestellten Dienstleister gefallen ist, hat man vielleicht sogar bei der Aktion Sorgenkind gewonnen und kann mit dem Dienstleister langsam gemeinsam in eine funktionierende Digitalisierungswelt hineinwachsen. In der immer noch der Mensch das Maß aller Dinge ist. 


Bildquelle: Bernd Fritzges


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