Abgeordnete im österreichischen Nationalrat fordern Maßnahmen für die Veranstaltungsbranche für die Zeit nach der Covid-19-Krise und eine Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch im Kulturbereich.
Mehrere Beschlüsse zur Unterstützung des Kunst- und Kulturbereichs, aber auch des Sports sowie der Veranstaltungsbranche im weitesten Sinne fasste der Nationalrat in der Sitzung vom 25. März 2021. Ein wichtiges Thema war dabei die Bewältigung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. So sollen als Hilfe für die Veranstaltungsbranche Gutscheine, die für entfallene Veranstaltungen im Bereich Kunst, Kultur und Sport ausgegeben wurden, falls nötig bis Ende 2023 gültig bleiben.
Mehrheitlich beschlossen wurde ferner ein Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen zu einem längerfristigen Maßnahmenplan für Kunst und Kultur nach Ende der aktuellen Corona-Krise. Breite Zustimmung fand auch ein gemeinsamer Antrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS für die Einrichtung einer Vertrauensstelle für die Bereiche Kunst und Kultur sowie Sport, die helfen soll, Machtmissbrauch in Institutionen hintanzuhalten.
Abgelehnt wurden hingegen ein SPÖ-Antrag betreffend die Perspektive einer Öffnung von Kunst und Kultur, sowie die Forderung der SPÖ, das Freiwillige Kulturjahr in Österreich zu einer regulären Einrichtung zu machen. Ebenfalls nicht durchsetzen konnten sich die NEOS mit ihren Anträgen zur Öffnung von Kunst und Kultur bei Vorliegen von Hygienekonzepten und die Freiheitlichen mit der Aufforderung, den Bundesmuseen und Bundestheatern finanzielle Zusagen für ihre Bestandssicherung zu geben.
Gutscheinregelung für entfallene Veranstaltungen verlängert
Als Hilfe für VeranstalterInnen treten ÖVP und Grüne dafür ein, dass die Gültigkeit von ausgegebenen Gutscheinen je nach Ausgabezeit mit Ende 2022 oder Ende 2023 festgelegt wird. Der Initiativantrag dazu mit entsprechenden Änderungen im Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz wurde mehrheitlich verabschiedet. Sicherheit für VeranstalterInnen sei wichtig, sagte Johann Höfinger (ÖVP). Bei der Verlängerung der Regelung sei man mit Augenmaß vorgegangen, sie betreffe nur Gutscheine bis 70 €, hielt er der Kritik entgegen. Auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) betonte, dass hier ein klassischer Kompromiss vorliege, der niemand völlig zufriedenstelle, der aber notwendig gewesen sei. Die Branche müsse am Leben erhalten werden, damit sie ihre Funktion erfüllen könne, wenn es wieder möglich werde, Veranstaltungen durchzuführen.
Als missglückte Lösung des Problems bezeichnete hingegen FPÖ-Kultursprecher Volker Reifenberger die Regelung. Eine Annahme von Gutscheinen solle nur auf freiwilliger Basis erfolgen, denn es sei nicht Aufgabe der KonsumentInnen, der Veranstaltungsbranche eine Überbrückungsfinanzierung zur Verfügung zu stellen, argumentierte der Freiheitliche.
Die Verlängerung der Gutscheinlösung finde zwar nicht bei allen Zustimmung, sei aber aus ihrer Sicht eine der notwendigen Maßnahmen, um der Veranstaltungsbranche durch die Krise zu helfen, sagte Staatssekretärin Andrea Mayer.
Abgeordnete wollen Maßnahmen für Kunst und Kultur in und nach der aktuellen Covid-19-Krise
Ein Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen, der eine Mehrheit im Plenum fand, zielt auf einen längerfristigen Maßnahmenplan für Kunst und Kultur nach Ende der aktuellen Corona-Krise ab. Darin wird der Bundesminister für Kunst und Kultur ersucht, gemeinsam mit relevanten Gruppen einen solchen Plan für einen starken heimischen Kunst- und Kultursektor nach der Covid-19-Krise auszuarbeiten. Auf Basis der in der aktuellen Krise neu gewonnenen Erkenntnisse müssten auch nachhaltige Entwicklungen eingeleitet werden, um bereits seit Längerem bestehende Probleme zu lösen.
Keine Mehrheit gab es für Forderungen von SPÖ und NEOS nach baldiger Öffnung des Kulturbetriebs sowie nach mehr Planungssicherheit für Kulturveranstaltungen zu kommen. Die SPÖ urgiert in einem Entschließungsantrag Regelungen für Kulturbetriebe, um ihnen eine Perspektive zu bieten, wie sie nach dem Lockdown wieder den Betrieb aufnehmen können. Die NEOS betonen in einem Antrag, dass die Kulturbranche jetzt Gewissheit brauche, unter welchen Umständen welche Art von Veranstaltungen möglich sein wird.
SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda nützte seine Abschiedsrede im Nationalrat für einen Rückblick auf seine Tätigkeit als Kulturminister und Abgeordneter. Neben Erfolgen, wie der Erhöhung des Kulturbudgets, habe er in der Zeit seiner politischen Tätigkeit auch zahlreiche Niederlagen erlebt, erklärte er. Er glaube fest an den Wert des respektvollen Meinungsstreits in der Demokratie, weshalb er sich bei allen entschuldigen wolle, die er „im Eifer des Social-Media-Gefechts“ vielleicht beleidigt habe.
Künstlerinnen und Künstler erlebten gerade eine der schwersten Zeiten seit Menschengedenken, stellte Drozda fest. Sie verdienten jegliche Unterstützung, da Kunst und Kultur einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert hätten. Ein Leben ohne Kunst sei Barbarei. Was man anderen Bereichen auch in Zeiten der Pandemie zubillige, müsse daher auch für Kunst und Kultur gelten, sagte der SPÖ-Kultursprecher. Er glaube fest an das, was Joseph Beuys gesagt habe: „Die einzige revolutionäre Kraft ist die menschliche Kreativität, die Kunst“. An die Bundesregierung appellierte Drozda abschließend: „Bitte, passen Sie gut auf die Künstlerinnen und Künstler auf“.
Selbstverständlich hofften alle, dass es bald wieder möglich sei, Kunst und Kultur wieder zu öffnen, betonte die Kultursprecherin der Grünen, Eva Blimlinger. In Hinblick auf die Zeit nach der Pandemie solle jetzt eine Kunst- und Kulturstrategie erarbeitet werden, die aber nicht nur aus der Formulierung von Vorhaben auf dem Papier bestehen solle. Vielmehr gelte es, sie im lebendigen Austausch mit Kunst und Kultur ständig dynamisch weiterzuentwickeln. Die Strategie solle Innovation fördern, eine Zukunftsperspektive bieten und Fairness der Arbeitsbedingungen sowie Geschlechtergerechtigkeit fördern.
Die bereits bestehenden Unterstützungsmaßnahmen für Kunst und Kultur seien zwar sehr vielfältig, sagte ÖVP-Kultursprecherin Maria Großbauer (ÖVP). Leider erlaube die Pandemie es aber immer noch nicht, das Datum für einen „Tag X“ zu nennen, an dem die Öffnung stattfinden können. Bis dahin seien Impfungen und Tests die zwei wichtigsten Maßnahmen, um weitere Öffnungsschritte setzen zu können. Kunst und Kultur seien der Koalition und der Bundesregierung wichtig, versicherte sie. Im letzten Jahr seien maßgeschneiderte Lösungen für alle Bereiche des Kulturbetriebs erarbeitet worden, betonte Hans Stefan Hintner (ÖVP).
Die technischen Voraussetzungen, um Kunst und Kultur zu öffnen, seien vorhanden, meinte der Kultursprecher der NEOS, Josef Schellhorn. Sie müssten nur angewendet werden. Letztlich sei Corona nur eine Ausrede für fehlende intelligente Lösungen in der Kulturpolitik, meinte Schellhorn. Hier drohe ein enormer Verlust von Talenten und von Kreativität, warnte der Abgeordnete. Das alles stellte die Kulturnation Österreich in Frage. Die NEOS seien bereit, an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten.
Das Virus halte sich an keinen Plan und lasse sich auch nicht von Anträgen beeindrucken, meinte Hermann Weratschnig (Grüne). Sobald Öffnungsschritte möglich seine, gebe es aber klare Hygienekonzepte, die Museen seien ein gutes Beispiel dafür. Eine breite Öffnung werde aber erst nach Erfolg der Impfungen möglich sein.
Der Antrag der Regierungsparteien sei völlig inhaltsleer und ein Eingeständnis, dass bisher zu wenig passiert sei, sagte FPÖ-Kultursprecher Volker Reifenberger. Anträge mit konkreten Maßnahmen würden jedoch abgelehnt, kritisierte Reifenberger mit Verweis auf die FPÖ-Forderung nach Bestandsgarantien für Bundesmuseen und Bundestheater. Kulturminister Kogler habe selbst darauf hingewiesen, dass bereits vor dem November-Lockdown aufgrund der Pandemie der Bestand der Staatsoper gefährdet war. Sein Appell, die Ablehnung des Antrags deshalb nochmals zu überdenken, hatte aber keinen Erfolg.
Mayer: Kulturstrategie soll ein Prozess der Auseinandersetzung mit Problemen des Kunst- und Kulturbereichs sein
Staatssekretärin Andrea Mayer betonte gegenüber Abgeordnetem Reifenberger, der Kritik an ihrer Arbeitsweise geübt hatte, dass sie stets das Gespräch suche, vor allem auch mit den ParlamentarierInnen. Die Belastungen für die in Kunst und Kultur Tätigen sei im Moment sehr hoch. Leider könne derzeit immer noch niemand sagen, wann Öffnungen im Kulturbereich möglich sein werden. Niemand könne derzeit diese Planungssicherheit geben. Sie kenne aber die Sorgen der Branche sehr gut und setze sich vehement für die Interessen von Kunst und Kultur ein. Die Unterstützungsmaßnahmen seien vorhanden und würden greifen. Ein neues Förderpaket von 20 Mio. € sei darauf ausgerichtet, Kunst und Kultur auf dem Weg zur Normalisierung zu begleiten, etwa durch Videostreaming. Letztlich hätten Fragen, die das Kulturleben schon immer begleitet haben, an Brisanz gewonnen. Dort soll die Kunst- und Kulturstrategie ansetzen. Sie soll ein laufender Prozess sein, in dem alle zu Wort kommen, die sich Gedanken über die Zukunft von Kunst und Kultur machen. Der Prozess sei gestartet und sie freue sich, ihn weiterzuführen.
Keine Mehrheit für Freiwilliges Kulturjahr
Die SPÖ will das Freiwillige Sozialjahr auf den Kulturbereich ausweiten. Mittels Entschließungsantrag fordert die Oppositionsfraktion, das Freiwillige Kulturjahr in Österreich zu einer regulären Einrichtung zu machen. Der Antrag fand aber keine Mehrheit.
Junge Menschen zu Kunst und Kultur zu bringen, sei wichtig, führte Sonja Hammerschmid (SPÖ) in ihrer Rede aus, die sie auch als Abschiedsrede im Nationalrat nutzte. Durch das Freiwillige Kulturjahr könnten sie Einblick in den Kulturbetrieb bekommen und die demokratisch wichtige Funktion von Kunst könnte gestärkt werden, so die Mandatarin. Das Interesse der Kunst- und Kulturorganisationen sei vorhanden, sie appellierte daher an die Koalition, nochmals über eine solche Möglichkeit nachzudenken.
Die Idee, jungen Menschen Kunst und Kultur näher zu bringen, sei richtig und sie teile die Intention des Antrags völlig, sagte Sibylle Hamann (Grüne). Das Konzept des Freiwilligen Sozialjahrs sei aber nicht auf den Kunst- und Kulturbereich übertragbar, wo die Arbeitsplatzsituation ganz anders sei, als im Sozialbereich. Auch Irene Neumann-Hartberger (ÖVP) wies darauf hin, dass das Freiwillige Sozialjahr eine wichtige Bedeutung für die Berufsorientierung und Berufsentscheidung habe. Auf den Kunst- und Kulturbereich lasse sich das Konzept allerdings nicht übertragen.
Hermann Brückl (FPÖ) meinte hingegen, das Konzept des Sozialjahrs sei auch nach Aussagen des Kulturministers sehr wohl auf den Kulturbereich übertragbar. Er hoffe daher, dass es früher oder später doch umgesetzt werde.
Breite Zustimmung für Einrichtung einer Vertrauensstelle zur Verhinderung von Machtmissbrauch
Basierend auf einem SPÖ-Antrag nach Maßnahmen zur Verhinderung von Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch in Kulturinstitutionen und kulturellen Ausbildungseinrichtungen sprechen sich ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS für die Einrichtung einer auch den Sportbereich umfassenden Vertrauensstelle aus. Diese gemeinsame Stelle für die Bereiche Kunst und Kultur sowie Sport soll Konsequenzen setzen können. Dadurch werde es ermöglicht, Förderungen bei Verfehlungen einzustellen.
Selma Yildirim (SPÖ) erinnerte an die #MeToo-Debatte, die in der Diskussion über Missbrauch sehr vieles verändert habe. Erfreulicherweise sei es gelungen, eine Einigung über die Umsetzung einer Vertrauensstelle zu erreichen. Das sei aber nur ein erster Schritt, betonte die Abgeordnete. Weitere müssten folgen, wie Aufklärungskampagnen und die Schaffung einer effektiven Opferschutzkommission, die auch ein Klagsrecht habe.
Agnes Sirkka Prammer (Grüne) schloss sich Yildirims Ausführungen an. Im Kulturbereich wie im Sport gebe es geschlossene Strukturen und seien Menschen Machtverhältnissen ausgeliefert, die zu Missbrauch führen könnten. Daher sei es wichtig, endlich etwas für die Opfer zu tun und eine Einrichtung zu schaffen, die auf die betroffenen Institutionen einwirken kann, um fragwürdige Strukturen aufzubrechen.
Machtmissbrauch und Gewalt, vor allem auch gegen Frauen, dürfen nicht toleriert werden, darüber herrsche Einigkeit, betonte Rosa Ecker (FPÖ). Der Antrag der SPÖ als auch der Vier-Parteien-Antrag würden aber Formulierungen enthalten, die einer Pauschalverurteilung von Vereinen und Organisationen gleichkämen, wenn es zu Vorfällen komme. Die Androhung der Rückzahlung von Förderungen aufgrund des Fehlverhaltens Einzelner sei überzogen und könnte für Organisationen existenzbedrohend werden, gab die Abgeordnete zu bedenken. Ihre Fraktion sei dafür, die bereits vorhandenen Einrichtungen zu nützen, anstatt eine neue Stelle zu schaffen.
Machtmissbrauch und Gewalt seien leider eine Realität im Kunst- und Kulturbereich, sie selbst kenne einige Betroffene persönlich, sagte Maria Großbauer (ÖVP). Die Diskussion, die durch #MeToo im Filmbereich begonnen wurde, habe sich etwa in der klassischen Musik, aber auch anderen Bereichen von Kunst und Kultur nicht in gleichem Maße ausgewirkt. Daher sei die Vertrauensstelle notwendig. Agnes Totter (ÖVP) verwies auf die Abhängigkeitsstrukturen, die im Bereich von Kunst, Kultur und Sport oftmals zu Missbrauch führen. Dabei müsse es nicht nur um sexualisierte Gewalt gehen, auch andere Formen des Machtmissbrauchs seien erfasst. Sie sei überzeugt, dass die Vertrauensstelle beitragen werde, viele Übergriffe zu verhindern.
Henrike Brandstötter (NEOS) erinnerte daran, wie lange die Missbrauchsstrukturen in der Mühl-Kommune ignoriert wurden. Sogar nach der Verurteilung Mühls für seine Taten habe man ihn weiter als Künstler hofiert, aber niemand habe auf die Opfer geachtet. Sie erwarte sich daher, dass die Vertrauensstelle dazu beiträgt, dass es künftig nicht mehr ein solches Wegsehen und Ignorieren der Opfer gibt.
Staatsekretärin Andrea Mayer betonte, die Einrichtung einer Vertrauensstelle sei ihr seit Langem ein großes Anliegen. Die Strukturen im Kunst- und Kulturbereich und im Sport seien sehr ähnlich, daher sei es richtig, auch den Sportbereich einzubeziehen. Sie und der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport würden daher der Aufforderung des Antrags, eine Vertrauensstelle einzurichten, gerne nachkommen. Die Stelle werde auch eine der ersten Maßnahmen sein, die als Ergebnis des bereits begonnenen Fairnessprozesses umgesetzt werde, erklärte die Staatssekretärin.